4.3 Lüftungs- und Klimaanlage, Umgebungsbedingungen

Beide gehören zum „technischen Gebäudemanagement“, mit dem man heutzutage Systeme mit unterschiedlicher Komplexität zur Steuerung aller Parameter in einem Gebäude beschreibt. Zwar wurden solche Systeme für die komfortable Unterbringung von Hausbewohnern entwickelt, aber sie sind genauso für die Unterbringung von audiovisuellen Sammlungen unter Langzeitbedingungen notwendig, so wie sie in dieser Publikation spezifiziert sind. Grundsätzlich besteht kein Unterschied zwischen Klimaanlagen für Lagerungszwecke und für Wohn- oder Arbeitsräume. Jedoch erfordern Klimaanlagen für die Lagerung von audiovisuellen Sammlungen engere Toleranzen und wesentlich bessere Regulierungsmöglichkeiten.

4.3.1 Temperaturregulierung. Die Temperatur in einem Lagerraum wird durch Erwärmung oder Abkühlung der Zuluft für den zu regulierenden Bereich erreicht. Sensoren im Raum erfassen den Istwert, mit dem die Zuluft dann nachgesteuert wird. Die Regelung durch Sensoren wirft einige untenstehende Fragen auf.

Es ist wichtig zu beachten, dass Kühlen den Entzug von Wärme und deren Abtransport in eine andere Umgebung bedeutet.

Eine Verdunstungskühlung, bei der Luft durch einen feuchten Raum geleitet und dabei Wärmeenergie entzogen wird, hat in einem Archiv keinen Platz, teils weil sie die relative Luftfeuchtigkeit erhöht. Ohnehin funktioniert sie nur in sehr trockenen Klimazonen.

Ein entscheidender Punkt bei der Planung einer Überwachungsanlage für Raumbedingungen ist die Tatsache, dass das Erwärmen von Luft die relative Luftfeuchtigkeit senkt und das Kühlen von Luft die relative Luftfeuchtigkeit erhöht. Beide Parameter, nämlich gleichbleibende Temperatur bei gleichbleibender Luftfeuchtigkeit, sind von größter Wichtigkeit und untrennbar miteinander verbunden: daher muss ist die Regelung der Temperatur stets mit der Regelung der Luftfeuchtigkeit verkoppelt werden. (3.2.3).

4.3.2 Grundlagen der Luftentfeuchtung. Fast jede Lagerung erfordert die meiste Zeit eine Entfeuchtung der Luft, um deren Feuchtegehalt zu reduzieren, damit die in der vorliegenden Publikation aufgeführten Bedingungen eingehalten werden. Die Notwendigkeit einer Erhöhung der Luftfeuchtigkeit tritt wesentlich seltener auf und kann, wenn erforderlich, relativ leicht erfolgen. Die Angabe der relativen Luftfeuchtigkeit ist die gebräuchlichste Art, den Feuchtigkeitsgehalt anzugeben und bedeutet eine prozentuale Angabe des maximalen Gehalts an Wasser, den die Luft bei einer bestimmten Temperatur und einem bestimmten Luftdruck halten kann; letzterer hängt von der Höhe über Normal-Null ab.

Luftentfeuchtung ist die Entfernung von Wasserdampf aus der Luft, um die relative Luftfeuchtigkeit zu reduzieren. Wie schon gesagt: Luft kühlen erhöht die relative Luftfeuchtigkeit. Wenn die Temperatur der Luft sinkt, wird schließlich ein Punkt erreicht, an dem der Wasserdampf in Form von flüssigen Tröpfchen kondensiert. Dieser Punkt wird „Taupunkt“ genannt.


Abb. 30 Verlauf des Taupunkts in Abhängigkeit von der Lufttemperatur (Original: Easchiff, Derivative: SLUB Dresden / Carsten Pietzsch [CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)], via Wikimedia Commons).

Um Luft zu entfeuchten, kühlt man sie gewöhnlich bis auf eine Temperatur unterhalb des Taupunkts herunter und entzieht ihr das dabei entstehende Wasser. Sie wird dann wieder auf die erforderliche Temperatur erwärmt, wobei die resultierende relative Luftfeuchtigkeit das Produkt aus der entfernten Wassermenge und der Temperatur nach Beendigung des Vorgangs ist.

Obwohl dieser Ansatz praktisch, einfach und üblich ist, beinhaltet er eine Reihe von signifikanten Problemen. Erstens sind die Energiekosten für die Kühlung und Wiedererwärmung erheblich und sollten als ausschlaggebender Faktor jeglicher Langzeitarchivierung betrachtet werden. Zweitens ist die Menge an entzogener Feuchtigkeit proportional der Temperaturdifferenz und daher muss ein System überdimensioniert werden, um für eine große Zahl von klimatischen Bedingungen in einem Archiv geeignet zu sein, wie die Erfahrung an vielen Standorten zeigt. Dies ist ein Problem für viele kühl-feuchte Klimazonen. Schließlich ist es schwierig, die genaue Steuerung von Klimaanlagen mit dieser Methode zu erreichen. Sie kann dazu führen, dass das System dauernd die Vorgaben an Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit abgleichen will. Das führt dann zu einem ständigen Herauf- und Herunterfahren, was sich hinwiederum nachteilig für die Lagerung von Archivmaterial auswirkt.

Das so gennannte Antikondensationsverfahren benutzt ein Trocknungsmittel, das Feuchtigkeit absorbiert. Nach seiner anschließenden Erhitzung außerhalb des Einsatzbereichs kann es erneut eingesetzt werden. Dieses Verfahren erreicht die niedrigen Feuchtestufen, wie sie für die meisten Archive erforderlich sind, und sie können energieeffizienter als die oben beschriebenen Systeme betrieben werden.

4.3.3 Sensoren oder Messfühler werden benutzt, um Abweichungen bei Temperatur, Luftfeuchtigkeit und anderen Faktoren zu registrieren. Die meisten Messfühler in gewöhnlichen Büroräumen weisen Toleranzen von +/- 5% oder mehr auf, ausreichend für diese Anwendungen; für den kritischen Einsatz in Archiven erreichen sie die in dieser Publikation geforderten Spezifikationen nicht.

Messfühler überwachen den Zustand in einem kontrollierten Bereich und übermitteln ihre Daten an die Klimaanlage. In der einfachsten Form wird bei Abweichungen vom Soll-Wert das System angeschaltet; sobald dann die Soll-Werte erreicht sind, wird es wieder abgeschaltet. Bei dieser Funktionsweise schwanken die Ist-Werte zwischen „hoch“ und „niedrig“, was sich in einem negativen Effekt auf das gelagerte Material auswirkt. Um das zu vermeiden, schalten moderne Systeme, ausgestattet mit Messfühlern und Regelungstechnik hoher Qualität, das Erwärmen und Abkühlen schrittweise an und aus und erzielen auf diese Weise stabile Werte.

Im Allgemeinen werden Messfühler in der abgeführten Luft installiert. Ein unzureichend geplantes System kann innerhalb des Archivs zur Bildung von kleinen Bereichen und Aussparungen mit einer Art Mikroklima führen, in denen keine Regelung erfolgt. Daher werden mehrfache Messfühler empfohlen, deren Messdaten unterschiedlich gewichtet werden.

4.3.4 Luftqualität und Filter. Klimaanlagen sind generell dazu gedacht, der Luft in einem bestimmten Regelbereich eine vorgegebene Menge an Frischluft von außen beizumischen. Je kleiner die benötigte Frischluftmenge, desto einfacher und kosteneffektiver der Betrieb der Anlage. Diese Frischluftmenge hat Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die meisten Länder haben Standards, die eine Mindestmenge an Frischluft von ungefähr 10 Prozent vorschreiben. Obwohl man in Archiven mit weniger Frischluft auskommen könnte, müssten die Messfühler dann die Bildung von Kohlendioxid und weiteren unerwünschten Gasen erfassen. Dazu kommt, dass plastikhaltige Archivmaterialien Gase abgeben können, die sich dann in so einer Umgebung ansammeln. Daher ist ein Frischluftanteil um die 10 Prozent ein guter Kompromiss zwischen Kosten und Luftreinhaltung. Der Luftstrom durch den klimatisierten Bereich muss in alle Ecken und Winkel fließen können, damit sich keine örtlichen Anreicherungen von kontaminierenden Gasen bilden.

Das Einführen behandelter Umgebungsluft wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Ansammlung von Staub und anderen Partikeln führen. Klimaanlagen müssen daher mit Filtern versehen sein, die derartige Fremdkörper zurückhalten. Filtertypen und die Größe der zurückgehaltenen Fremdkörper werden von der Qualität der Luft im, aber vor allem außerhalb des Gebäude abhängen. Zusätzlich zu gut gewarteten Filtern kann die Menge des Staubes durch einen Überdruck in den Lagerräumen gegenüber den umgebenden Räumen minimiert werden.

Lagerräume und Versuchsräume sollten nach Reinraum-Klasse ISO 8 oder vorzugsweise ISO 7 gemäß ISO I 4644-I ausgeführt werden.27

Die Anwesenheit von Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Stickoxiden und anderen gasförmigen Verunreinigungen verringert die Lebenserwartung von Trägermaterial. In den meisten Ländern ist die Luftqualität vorgeschrieben und es werden spezielle Filterklassen empfohlen.

Alle Filter müssen zur Erhaltung ihrer Wirksamkeit regelmäßig gewartet und gereinigt werden.


27 ISO 8 entspricht der vormaligen Reinraum-Klasse 100 000 nach US FED STD 209E, ISO 7 der Klasse 10 000.